Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey - Mein Berufsweg ist kein Glück...

Shownotes

In dieser Folge von Jede:r zählt ist Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey zu Gast. Sie ist Direktorin des Instituts für medizinische Soziologie an der Charité und hat ihr gesamtes Leben der Forschung gewidmet. Ihr Weg an der Charité begann vor 43 Jahren. Nun, ein Jahr vor dem Ruhestand, beschreibt sie sich selbst als Objekt ihrer eigenen Forschungsbegierde.

Als erfolgreiche Frauen begegneten Prof. Kuhlmey und der von Nina in der Charité-Serie verkörperten Krebsforscherin Ella Wendt ganz ähnliche Hürden. Beide sind sich sicher, dass Erfolg kein Glück ist. Doch früher wie auch heute steht die Frage im Raum, wie Leitungspositionen und Familienleben vereinbar sein können, und wie klar große Lebensziele wie Promotionen und Professuren in der Forschungslaufbahn feststehen müssen, wenn man eine solche Karriere anstrebt. Adelheid Kuhlmey berichtet von offenen Ohren für Studierende, die oftmals eine Lücke gefüllt haben, die sie ohne eigene Kinder in ihrem Leben verspürt. Ob sie diesen Weg bereut und welche Lebenseinstellung und Arbeitsmoral sie ihren Studierenden mit auf den Weg gibt, das hörst du in dieser Folge von Jede:r zählt – dem Karrierepodcast der Charité.

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Nina Gummich: Herzlich Willkommen! Mein Name ist Nina Gummich. Ich bin Schauspielerin, und ich durfte in den letzten Jahren viele starke Frauenfiguren verkörpern, von Doktor Ella Vent in der Serie Charite über die Rechtsmedizinerin Theresa Wolf in meinem ZDF Krimi und zuletzt als Alice Schwarzer in der Biografie Verfilmung Alice. Heute unterhalte ich mich mit Frau Professor Dr Kuhlmey, ihres Zeichens starke Frau in unzähligen Leistungs- und Leitungspositionen, und wir reden darüber, warum viele Professoren immer noch von zu wenig Frauen besetzt sind, ob Studierende Kinder ersetzen können und warum Schauspieler und Ärzte so gut zusammenpassen. Du Frau Kuhlmey. Wir fangen jetzt an.

Adelheid Kuhlmey: Du, Frau Gummich. Das finde ich gar nicht schlecht, wenn wir jetzt anfangen!

Nina Gummich: Wir haben gerade darüber gesprochen, ob wir uns Siezen oder duzen, und die haben alle gesagt, dass man im Podcast einfach du sagen muss.

Adelheid Kuhlmey: Genau das habe ich auch gehört, und dann sagen wir jetzt auch du.

Nina Gummich: Aber kennst du die Leute, die sagen du, Frau Kuhlmey.

Adelheid Kuhlmey: Nee, die kenne ich eigentlich nicht, da müsste ich mehr. Ja, weiß ich gar nicht, wo ich da arbeiten müsste, vielleicht im Kindergarten.

Nina Gummich: Ich kenne das von den Lehrer noch von früher, dass die immer sagen, du, Frau Müller!

Adelheid Kuhlmey: Im Kindergarten, aber ich glaube selbst die sind übergegangen zum Vornamen zumindest.

Nina Gummich: Also, du Frau Kuhlmey, ich hab versucht rauszufinden, was du alles machst. Man kommt kaum hinterher. Ich trage es jetzt mal vor.

Adelheid Kuhlmey: Es ist ja ein langes Leben einer altgewordenen Geronthologin.

Nina Gummich: Sie ist Mitglied der dritten, vierten und fünften Altenberichts Kommission der Bundesregierung, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Zeitschrift Schutz für Gerontologie und Geriatrie, Mitglied des deutschen Zentrums für Altersfragen, Stellvertreter, Vorsitzende des Vorstandes, ist der deutschen Gesellschaft für medizinische Psychologie, Psychologie, Mitglied der deutschen Gesellschaft für medizinische Psychologie, Mitglied der deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie, Mitglied...soll ich aufhören?

Adelheid Kuhlmey: Ja, aber einige dieser Pöstchen sind dann auch schon Vergangenheit, aber gemacht habe ich das alles.

Nina Gummich: Was ist jetzt aktuell und was machst du am meisten und am liebsten.

Adelheid Kuhlmey: Ja, was ich jetzt am meisten mache in meinem letzten Berufsjahr an der berliner Charite, ich leite seit dann 23 Jahren das Institut für medizinische Soziologie und S Rehabilitationswissenschaft am Caritaszentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften, einem sozialmedizinisch, sozialwissenschaftlich, historisch ethisch ausgerichteten Zentrum hier bei uns in der Medizin mit 15 Instituten, davon leite ich eins. Ich bin aber auch die wissenschaftliche Direktorin eben dieses Zentrum.

Nina Gummich: Unglaublich! Unglaublich! Machst du noch irgendwas? Hast du Zeit für irgendwas anderes? Wenn man das liest, denkt man, du bist mit der Charite verheiratet.

Adelheid Kuhlmey: Ja, also, mich interessiert schon die Arbeit, die ich mache, dass ist wahr, und das Thema treibt mich auch um. Wie geht es alten Menschen, wie machen wir es überhaupt, dass wir so lange leben? Was fangen wir damit an? Und natürlich hier in der Medizin seiend, wie machen wir es, dass die Menschen auch gesund bleiben können? Das treibt mich schon. Aber natürlich gibt es auch noch einen privaten Alltag, und das ist kein Anbieter jetzt, da, gehe ich gerne ins Theater und auch gerne ins Kino.

Nina Gummich: Ja, ja, ich habe schon oft gehört, tatsächlich, Ärzte und Schauspieler passen gut zusammen, weil Ärzte auch meistens oder Mediziner oder die im medizinischen Bereich tätig sind, einfach sehr Kunst und Kultur interessiert sind, und wir wollen ja gesehen werden.

Adelheid Kuhlmey: Genau, ihr wollt gesehen werden, da braucht ihr Zuschauer, Zuschauerinnen, und ich bin eine von denen. Ja!

Nina Gummich: Du bist ja Direktorin des Instituts für medizinische Soziologie, und wir waren mal auf der Straße unterwegs und haben ganz normale Leute mal befragt, was sie sich darunter überhaupt vorstellen.

Speaker 3: Was können sie sich denn unter medizinischer Soziologie vorstellen? Also, ich denke, das geht um das Organisatorische, um zu sehen, wo die Bedürfnisse von den Menschen je nach Erkrankung und Lage sind, die Pflegekräfte und sowas vielleicht managen, also ein bisschen rumorganisieren, wer was machen darf oder nicht. Also, Soziologie ist ja generell so die Sache der Beziehung der Wesen Menschen untereinander, wenn ich das auf die Medizin beziehe. Vielleicht ist es, wie entwickeln sich Krankheiten durch Umwelteinflüsse? Wie sind solche Sachen? Könnte es unter die medizinische Soziologie fallen, wie zum Beispiel sich Beziehungen in der Bevölkerung unter der Corona Epidemie entwickelt haben? Das könnte ich mir vorstellen, dass es also unter Einwirkung von Pandemien, Erkrankungen... Wie verändern sich Beziehungen zur Umwelt, zu anderen Mitmenschen, zu meiner, zu meiner Umgebung?

Adelheid Kuhlmey: Ich hätte es nicht besser sagen können. Ja, klar geht es im Kern um soziale Faktoren, die Gesundheit und Krankheit mit determinieren und bestimmen. Klar, das ist unser Hauptgegenstand, das ist das, wonach wir fragen. Wir haben uns im Institut spezialisiert insbesondere auf solche Faktoren, die die Gesundheit im Alter bestimmen, respektive die eben auch einen Einfluss auf Krankheit und Krankheitsentwicklung im Alter haben. Und es geht natürlich auch um Beziehungen von Menschen in unserem Gesundheitssystem. Also unsere Studien zeigen immer wieder, dass natürlich eine gute Beziehung zwischen Patient, Patientin und Ärzten und Ärztinnen oder Therapeuten oder Pflegekräften einen Einfluss hat auf darauf, ob ich gesund werde oder nicht. Das darf man einfach nicht unterschätzen. Das ist ein Beziehungsgefühlgehalt.

Nina Gummich: Was sind da so die Meilensteine in deinem Weg, dieser 43 Jahre, an denen du geforscht hast und wo du jetzt sagst, darauf bin ich stolz, das haben wir rausgefunden.

Adelheid Kuhlmey: Ob ich stolz bin lassen wir mal dahingestellt, aber ja ich glaube, äh, ich bin diesen Weg sehr gerne gegangen, weil mich schon einerseits beruflich immer das Alter interessiert hat und andererseits mich das Leben auch immer gerührt hat im Alltag. Also, wenn ich meine Studies frage, dann wollen die natürlich alle die PediatrerInnen werden und nicht Geriater und Geriaterin, also nicht für das Alter da sein. Das ist in der Jugend sicher normal, aber ich hab da ziemlich früh großes Interesse... Ja, wie immer im Leben war es natürlich Zufall, irgendeine Kommilitonin suchte für mich das Thema, als ich mal nicht da war und meinte dann, wir gehen ins Pflegeheim und interviewen dort auch einfach alte Menschen, kannst es jetzt auch nicht mehr ändern. Die ging später natürlich in die Jugendforschung. Aber ich blieb dem Alter treu wirklich vom Ende des Studiums bis heute. Worauf stolz? Würde ich nicht sagen. Aber ich glaube, man hat, oder ich hab an der einen oder anderen Stelle ein ganz kleinen Baustein dazu beigetragen, dass wir Alter jetzt nicht nur als Schicksal betrachten, dass man auch was tun kann für das Gesundbleiben im Alter...

Nina Gummich: Was tust du selber?

Adelheid Kuhlmey: Ja, doofe frage, nächste Frage.

Nina Gummich: Wendest du etwa nicht deine Forschungsergebnisse an auf dich?

Adelheid Kuhlmey: Das möchte ich bitte, dass das alle Charite Mitarbeitenden, die hier im Podcast sind, das gefragt werden.

Nina Gummich: Deine Mutter ist 100 Jahre alt geworden?

Adelheid Kuhlmey: Ja zwei Tage vor dem hundersten Lebensjahr ist sie gestorben.D

Nina Gummich: Die hat sich voll zur Verfügung gestellt für deine Forschungen.

Adelheid Kuhlmey: Absolut! Ich sage immer, ich werde jetzt auch selber zum Objekt meiner eigenen Forschungsbegierde. So mit Ende 60 wird man das dann. Aber sie war zweifelsohne, wobei, das wird ja auch jeder sagen, im persönlichen Leben ist alles anders. Da ist es nicht wie in der Forschung. Na klar, hat man Folien im Kopf von dem, was man auch erforscht hat. Aber wenn die eigene Mutter dann mal etwas nicht mehr weiß oder etwas vergisst, dann schreit nicht sofort im Kopf auf Demenz.

Nina Gummich: Da kann man doch emotionale Gefühl haben.

Adelheid Kuhlmey: Absolut, ja, absolut! Also, das ist was ganz anderes, obwohl wir uns damit zum Beispiel auch beschäftigt haben. Dementielle Erkrankung sind natürlich im Alter, ich würde sagen, die Geißel heute absolut .

Nina Gummich: Die emotionale, vor allem für alle Beteiligten, für alle.

Adelheid Kuhlmey: Für alle Beteiligten, ein schwieriges Leben miteinander umzugehen und für die, die betroffen sind. Wir wissen es ja gar nicht so genau, aber wenn ich das eigene Ich verliere, zumindest nach außen, das nicht mehr artikulieren kann, das ist schon schwer, und wir haben uns in unseren Studien mit nicht medikamentösen Möglichkeiten der Therapie von an Demenz erkrankten Frauen und Männern beschäftigt. Ja, das hat uns auch emotional immer sehr bewegt.

Nina Gummich: Ich habe ja in der dritten Staffel der Serie Charite, die du auch gesehen hast, die Krebsforscherin Ella Vent gespielt, die auch große Schwierigkeiten zu der Zeit noch hatte, als Frau in diesem Bereich ernst genommen zu werden und sich da durchzusetzen. Wie ging es dir denn in den Anfangsjahren, und was hat sich heute geändert für junge Frauen, vielleicht auch in solche Positionen einfacher zu kommen?

Adelheid Kuhlmey: Ich will erst mal von heute aus sagen, es kommen mir immer noch zu wenig in solche Positionen, und ich hinterfrage mich auch selber da manchmal, ob man eigentlich ein gutes Vorbild ist für die Studentinnen, die ja nicht nur in hunderter Zahlen, sondern in tausender Zahlen in den 43 Jahren auch, mit denen ich arbeiten durfte und was ganz toll ist, was die andere zweite Seite ist. Ich habe ja die Universität nie verlassen und hatte immer dieses große Privileg, mit jungen Menschen arbeiten zu können, hält auf jeden Fall jung. Der Abstand wird natürlich immer größer zu den Jungen, und wenn am Anfang manchmal noch so eine Situation war, wie gehst du auch zur Prüfung? Ja, aber auf der anderen Seite also noch verwechselt wurde, also, dann ist es jetzt natürlich nicht mehr der Fall, und spätestens seitdem weiß man dann auch, dass man selber alt geworden ist. Ja, also, es sind mir noch zu wenige Frauen, gerade in unseren Studiengängen, wenn ich die Human Mediziner anschaue, auch die Zahn Medizin, die Pflege, das sind so viele Frauen, über 60 Prozent, 65 Prozent Frauen, und bei den Professuren landen dann kaum 20 Prozent. Das ist mir zu wenig, geändert hat sich natürlich viel!

Nina Gummich: Die Chancen wären da, haben wir selber schon festgestellt, die Stellen wären da. Wir haben uns beide auch schon im Vorgespräch gefragt, woran liegt das? Woran liegt das? Dass junge Frauen an welchem Punkt sagen die dann eben doch, ist nichts für mich so eine Stelle.

Adelheid Kuhlmey: Statistisch kann ich dir das sagen, an welcher Stelle das ist. Wir verlieren sie bei der Habilitation und dann letztendlich bei den Bewerbungen zu den Professuren. Wir muntern sie ja, was ist es? Es ist natürlich alles sehr viel. Studierendenjahre sind sind Lebensprägende, in denen ich manchmal auch was aufschiebe, auch was privates aufschiebe. Dann kommt der Berufseinstieg, Einstieg in Familien dazu. Das ist viel, und ich glaube, niemand von uns hat den letzten Punkt gefunden, warum wir immer noch so eine Kluft haben. Ich glaube, unsere Strukturen haben natürlich Schuld da dran. Also, man möchte dann auch nicht jeden Abend bis 20 Uhr in der Charite sein. Das kann man ändern, das kann man noch besser ändern als unsere Vorstellung im Kopf. Und ein Spruch, den ich mich jetzt als alte Professorin auch traue an die Studenten weiterzugeben, ist Karrierebeginn im Kopf. Ich muss im Kopf Klarheit haben, dass ich das machen möchte, und wenn das nicht der Fall ist, dann wird es, glaube ich, schwierig, und es wird kein ganz leichter Weg. Weil, es gibt Konkurrenz, und die ist männlich, aber die ist auch weiblich, aber die ist vor allem männlich.

Nina Gummich: Wie war das auf deinem Weg, dich da durchzusetzen? Hattest du da auch teilweise mit dir innere Kämpfe oder was hast du geopfert sozusagen, um an diesen Punkt zu kommen?

Adelheid Kuhlmey: Ich glaube, ich hatte es im Kopf, was ich wollte. Also auf jeden Fall war klar, dass ich promovieren wollte und auch, dass ich in der Wissenschaft bleiben wollte. Das war schon im Kopf, und dann war das vielleicht für mich ein bisschen anders, weil ich ja die Wende miterlebt habe, die Wendezeit, und weil das ja eine Zeit war mit riesigen Chancen, und die wollte ich unbedingt nutzen, und das war schwer. Also, ich gebe ehrlich zu, ich bin auch heulend raus aus, also natürlich nicht vor offener Bühne, aber draußen heulend raus aus Bewerbungen für Professuren, das gebe ich zu. Aber ich wollte es unbedingt, und es war wie runtergefallen vom Pferd, immer wieder drauf und mich der Sache gestellt, und dann muss ich sagen, dann, ich hatte, vielleicht hatte ich ja, es ist nicht Glück, wenn man so in Berufsweg macht, das ist quatsch, das sage ich auch den den jungen Frauen immer, die glauben, wenn sie irgendeinen Erfolg gehabt haben, dann ist es Glück. Im übrigen, meine Studenten sagen das nie, weil die sagen dann eher haben sie für gebüffelt, und sie wissen auch so wieso, dass sie gut sind.

Nina Gummich: Und das ist auch wichtig, finde ich, dass man das nicht unbedingt immer so sieht, dass man schon auch weiß, was man dafür Kräfte hat, und dass man das geschafft hat.

Adelheid Kuhlmey: Ja, absolut!

Nina Gummich: Das gezügelt einen ja auch wieder für den nächsten Schritt sozusagen.

Adelheid Kuhlmey: Genau also, das ist... Ich hatte manchmal glück, weil ich auf Förderer und Förderinnen hatte. Ich glaube, die braucht man, man braucht auch Menschen...

Nina Gummich: Die an einen glauben und unterstützen?

Adelheid Kuhlmey: Ja, die an einen glauben, die einen unterstützen, die auch helfen, Niederlagen zu bewältigen, das ist, glaube ich, wichtig bei so einem Wissenschafts Weg, der mehr als für mich damals, die schon auch eine feste Stelle hatte, heute ja auch ein Weg ist, wo man aushalten muss. Oder die auch meine jungen Instituts, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen aushalten, von Stelle zu Stelle, von Befristung zu Befristung zu flitzen. Wir haben wenige feste Stellen, und da versuche ich natürlich, sie zu motivieren, da dranzubleiben. Und solche Menschen hatte ich, ohne die hätte ich es nicht geschafft, und ich hatte immer eine tolle Familie, die sowieso an mich geglaubt hat.

Nina Gummich: Und du hast auch gesagt, wie ich auch, bist du mit einer sehr starken Mutter aufgewachsen, also die auf jeden Fall dir auch das Bild vermittelt hat. Du hast gesagt, sie hat immer gesagt, Mädels, ihr müsst arbeiten und eigenes Geld verdienen und da unabhängig sein. Das ist wichtig.

Adelheid Kuhlmey: Ja, genau das war ein ganz wichtiger Spruch. Könnt machen, was ihr wollt, aber bitte verdient euer eigenes Geld, seid nie von irgendjemanden abhängig. Das hat die schon sehr eingepflanzt in uns auch. Also ich habe noch eine Schwester, uns beide, und daran haben wir uns auch gehalten, und was anderes wäre für mich auch ehrlich gesagt, nie in Frage gekommen.

Nina Gummich: Was macht deine Schwester?

Adelheid Kuhlmey: Die ist Krankenschwester.

Nina Gummich: Ach ja, alle in dem Bereich irgendwie geblieben.

Adelheid Kuhlmey: Ja, mein Bruder ist Jurist, der ist nicht in dem Bereich, hat aber auch arbeiten gelernt.

Nina Gummich: Du hast keine Kinder bekommen. Wir haben auch darüber nachgedacht. Ist das überhaupt sozusagen auf so einem Weg möglich? Und wahrscheinlich ist es auch immer heute noch der Grund, warum eben viele junge Frauen dann sagen, nee auf bei diesem Schritt, hört meinen Weg auf! Fühlt sich das für dich stimmig an und richtig, oder bereust du, irgendwas liegen gelassen zu haben, sozusagen auf diesem Weg der Karriere?

Adelheid Kuhlmey: Also, ich spreche erst mal von mir und beziehs dann vielleicht wieder auf meine Arbeit auch als Hochschullehrerin, die natürlich junge Wissenschaftlerinnen begleitet hat, die Kinder haben und auch die, die keine haben, wenn ich es für mich ja jetzt schon resümierend auch sagen muss, am Ende so einer beruflichen Karriere. Also ich bereue nichts, oder es ist jetzt auch kein Makel, den ich da sehe. Ich kann damit gut umgehen. Aber es ist etwas, was schon Wunsch, auch also was genauso im Kopf war wie all die anderen Dinge und was nicht stattgefunden hat. Also ist es eine Lücke im Leben, da würde ich mich auch nie drum rumschwindeln wollen. Es ist etwas, was ich nicht erlebt habe. Also, und das finde ich schon, wenn ich ja meine Kolleginnen, aber auch meine Freundin sehe mit ihren jetzt natürlich erwachsenen Kindern, die selber Kinder haben und so weiter, dann ist es eine Lücke im Leben, da brauch auch man sich auch nicht drum rumschwindeln, aber nichts, was ich bereue, oder jetzt jedes Wochenende heulend im Kissen bedaure also, so ist es nicht, hab ja Equivalente dafür!

Nina Gummich: Ja, ich wollte gerade sagen... Ich meine Mama selber, die kann an der Leipziger Hochschule für Schauspiel, und die hat tatsächlich auch was sehr mütterliches mit ihren Studenten. Also, ich sehe das immer wieder. Was bist du für ne Professorin? Können die Leute zu dir kommen, seid ihr nah miteinander? Hältst du das sehr fern? Oder wie würdest du dich da beschreiben?

Adelheid Kuhlmey: Ja, ich glaube, und das würde ich auch für viele Kolleginnen so sagen, und aber ich sage es natürlich für mich, ich bin ne Professorin, war eine Prodekanin, mit offenem Ohr. Ich hoffe, die das hören, die stimmen da auch zu. Aber ich sage es jetzt auch nicht nur aus meiner eigenen Reflexion. Ich habs natürlich auch gesagt bekommen, ja! Ich war da immer offen und bin es bis heute. Ich kann aber auch diese Art von Chefsein kritisch sehen. Also weil ich auch weiß, dass an mich Dinge herangetragen worden sind, die an andere gar nicht erst herangetragen werden, und weil ich auch weiß, dass ich oft darunter gelitten habe, gerade wenn es nicht nur um Ratio und wenn es nicht nur um eine fachliche Entscheidung geht, sondern wenn es um eine emotionale oder, sagen wir, um eine beziehungsmäßige, oder kann man jetzt den fördern oder den? Durch diese Art kommt man manchmal auch in eine Kritik, wo man denkt, hey, die hast du jetzt aber eigentlich nicht verdient, du hast alles getan, der Finger ist abgerissen, jetzt reißt einer an deinem Oberarm. Das findest du jetzt aber nicht gut, und deinem Kollegen xy wäre es nicht passiert.

Nina Gummich: Weil der sich heraus hält?

Adelheid Kuhlmey: Nein, weil man mit dieser Anmutung gar nicht zu ihm gekommen wäre. Genau ja, also, das ist wieder die andere Seite. Aber wenn ich das dann mal, wir hatten mal so eine Runde, das schreckliche Professorinnen Leben, also wo wir uns dann solche Sachen auch ausgetauscht haben, nur mit Frauen, und dann endeten diese Runden mit: Sag mal, wollen wir so sein wie xy? Wollen wir das so? Wollen wir so leiten oder wollen wir so ein Institut führen? Nein, also nehmen wir die andere Seite halt in Kauf.

Nina Gummich: Gibt's diese Runden regelmäßig?

Adelheid Kuhlmey: Wir sind alt geworden, würde ich sagen, die meisten dieser Runde, die sind auch schon, man muss ja auch sehr vertraut sein. Das kann man nicht mit jedem machen, weil man ja dann auch die oder ja, man hält ja auch die eigene Breitseite hin und die eigenen Schwächen hin. Das muss man schon mit einem befreundeten Kolleginnenkreis machen, und dann sind die meisten doch jetzt schon aus dem Berufsleben ausgeschieden, und ich werde das ja auch im nächsten.

Nina Gummich: Das ist noch ein Jahr. Wie geht's dir damit? Du hast mir auch erzählt, also nochmal, um das zu sagen, du bist jetzt 43 Jahre hier, du warst zwischendurch einmal kurz weg, also sieben Jahre. Das ist jetzt zwar lang, aber in 43 wirkt es trotzdem sehr kurz. Und du hast mir erzählt, du hast sehr gelitten in der Zeit, in der du nicht in der Charite warst.

Adelheid Kuhlmey: Okay, ja, das stimmt irgendwie. Es ist mein berufliches Zuhause, und manchmal setze ich unberuflich... Es ist beruflich zu Hause klar, aber unberuflich setze ich manchmal auch eine Klammer. Aber es ist natürlich meine Arbeit und mein berufliches Zuhause. Ja, ich war sieben Jahre auf zwei anderen Professuren, also hab Außenberufe angenommen, und hab dann aber immer noch versucht, Projekte hier zu lassen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf den Projekten saßen, die dann auch hier blieben, an der Charite, da Kontakte zu halten oder sie später nachzuholen an die anderen Hochschulen.

Nina Gummich: Ich denke an unseren Fechtlehrer in der Schauspielschule. Der ging auch irgendwann in Rente, der war so verliebt in seinen Beruf, dass er so zwei Degen als Uhrzeiger hatte sogar, und der da war dann immer bei dem neuen im Büro plötzlich irgendwie. Jemand hat Papier rausgeholt und noch mal geduscht und so. Und dann hat meine Mutter irgendwann zu mir gesagt, du musst mal die Schlüssel jetzt langsam zurückgeben, und den hätte er verloren, und der hat verliert nie was. Und dann wurde Schritt für Schritt klar, dass der immer manchmal noch in das Büro geht.

Adelheid Kuhlmey: Ich verstehe das, ich verspreche da nicht nur dir, sondern einer allen meinen Mitarbeitenden. Und natürlich vor allem meiner Nachfolgerin, meinem Nachfolger, dass ich das nicht tue. Ich gebe den Schlüssel ab, aber natürlich würde mich auch danach noch viel mit der Charite verbinden, und es werden Projekte bleiben, die man auch auf einer Senior Professur oder Gastwissenschaftlerinnen noch zu Ende macht, ein paar Promotionsbetreuungen, die ich natürlich noch zu Ende mache. Also klar, es gibt so ein bisschen Auslauf, aber da ist ja die Ratio, und es kann ja nicht sein, dass 43 Jahre gerontologischen Forschens sich mit dem Alter zu beschäftigen, darin endet, dass man als Gerontologin nicht klarkommt. Und keinen Cut setzen kann. Also die Gilde selbst tut sich... Es ist unterschiedlich, aber manche tun sich wirklich sehr schwer, als Gerontologin ja, da aufzuhören. Aber im Kopf weiß ich, es muss ein Cut gemacht werden, und es gehört auch zum erwachsenen Altsein, dass man abgeben kann. Und alle kommen irgendwann dahin, es ist das einzige gerechte auf der Welt. Ja, im übrigen auch ein tolles Phänomen dieses Jahr, eigentlich ja, sozialen Alters auch, dass wir immer alle Altersgruppen in der Gesellschaft haben und wir selber als Menschen dann auch jedes Alter so durchlaufen. Das ist was ganz spezifisches an diesem Phänomen. Das ist dann auch anders, als weiblich, männlich oder einer bestimmten Kultur anzugehören. Das laufen wir alle so durch. Ja, also, ich werde mich an die eigenen Prämissen der Forschung halten und erinnern, mich sicher erinnern müssen, du hast gefragt, ob es mir schwerfällt. Klares ja!

Nina Gummich: Ja, jetzt gehen wir nochmal zu den Jungen zurück. Ihr habt an der Charite den Modell Studiengang Medizin. Ich glaube erst seit zwei Jahren, seit 2010: Okay, das ist schon eine Weile her. Es ist trotzdem was sehr besonderes. Das gibt es nicht an allen Universitäten. Was macht diesen Modellstudiengang so besonders? Was wird hier gelehrt, was es an anderen Universitäten vielleicht nicht so gibt?

Adelheid Kuhlmey: Ja, das erzähle ich gerne denjenigen, die uns zuhören. Ja, ja, gibt es seit 2010 etwa in acht Universitätsmedizinen, und wir haben etwa 36 Medizinfakultäten in Deutschland, also staatliche Medizinfakultäten. Also, du siehst richtig gewusst, es gibt nur wenige davon. Und Modellstudiengang bedeutet, dass wir nicht mehr so ein klassisches, erst mal vier Semester naturwissenschaftliche Ausbildung und dann erst in so eine ärztliche berufliches Zukunfts Leben einsteigen mit einer klinischen Ausbildung, sondern wir haben eine Prämisse, die da heißt, von Anfang an Kontakt zu Patientinnen und Patienten, von Beginn an einen Mix von Grundlagen naturwissenschaftlicher und von unserer Seite eben auch sozialwissenschaftlicher Couleur, und die dann aber auch verbunden mit dem gesunden Menschen, aber dann auch mit Krankheiten. Also, ich mache vielleicht mal ein Beispiel aus der Anatomie, also nicht erst alles durchbüffeln, sondern auch nicht gleich rumschnippeln. Aber der Anatom kommt auch noch mal. Wenn eben der Chirurg etwas zeigt, dann kommt er eben auch noch mal in die höheren Semester, und genauso ist es auch auch umgekehrt, der Chirurg kommt dann eben auch schon mal in so einen anatomischen Unterricht am Beginn des Studiums, und so merke ich mir natürlich Dinge viel besser, lerne viel besser. Ja, also, ihr habt ja sicher auf der Schauspielschule auch nicht immer nur A oder O geschrieben, drei Semester lang und später...

Nina Gummich: Ja, sehr viel, ehrlich gesagt , sehr viel. Nein, wir haben tatsächlich auch dieses. Wir haben so ein Studium Prinzip, dass es auch in Leipzig ziemlich einmalig alle versuchen, das nachzuahmen seit Jahrzehnten, dass wir eben zwei Jahre an der Schauspielschule sind. Dann gehen wir ans Studio, an ein Theater und lernen dort weiter und nicht mehr an der Schule. Das heißt, du gehst erst mal schon mal ein Stück weg von diesen Professoren, mit denen du dich da so identifiziert hast, und wirst freier und bist halt voll im Ablauf drin. Deswegen haben wir eben auch so eine gute Vermittlungsquote. Ihr habt auch eine sehr hohe Quote von denjenigen, die das tatsächlich durchziehen, wie man neudeutsch sagt: liegt bei 95 Prozent, glaube ich.

Adelheid Kuhlmey: Niedrige Abbrecherquote.

Nina Gummich: Also scheint es schön zu sein bei euch.

Adelheid Kuhlmey: Ja, es ist sicher, ich würde es mal so sagen... Es ist ja, wenn man Medizin studiert... Es sind einfach so breite Möglichkeiten. Also was mache ich anschließend? Bleibe ich in der Forschung, arbeite ich kurativ als Ärztin oder als Arzt? Aber was mache ich da? Psychiatrie oder Chirurgie, Pediatrie oder Geriatrie? Also ich glaube, das ist es. Wir haben tolle Studis. Hier kannst du auch mal fragen, ob die außer Studieren auch noch was machen. Die haben zum Beispiel eine total tolle Theater AG, die ich immer mit unterstützte. Jedes Semester, Corona natürlich hat uns da zurückgeworfen. Jedes Semester gab es eine Aufführung, das ganze Semester wurde geprobt, und dann gab's die und begnadete Musikerinnen und Musiker unter unseren Studies.

Nina Gummich: Die Kunst und die medizin liegen nah beieinander.

Adelheid Kuhlmey: Genau die dann zusammen ein Orchester, aber auch so Studies, die davon überzeugt sind, was ich auch bin, dass Musik natürlich Menschen hilft. Musik macht munter, nennen die sich.

Nina Gummich: Mozart macht schlau!

Adelheid Kuhlmey: Ja, Mozart macht schlau, Musik macht munter, nennt ich diese Truppe der Studenten und Studentinnen, also auch die können schon noch ganz viel anderes.

Nina Gummich: Du, Frau Kuhlmey? Wir sind fast am Ende. Du darfst mir jetzt auch noch eine Frage stellen.

Adelheid Kuhlmey: Frau Gummich, na ja gut, also dann! Ich habe es ja schon so ein bisschen verraten, ich hab's erst auch naiv... Also wie war das bei Alice? Das muss ich jetzt einfach wissen. Das geht ja eigentlich gar nicht, dass man so eine Person der Öffentlichkeit, die ja da ist, historisch verstehe ich das noch besser, und die Rolle da in unserer Charite Sendung war ja auch fiktiv. Aber wie macht man das jemanden so nachzuahmen?

Nina Gummich: Indem man auch alle sozialen Kontakte abbricht, für ein halbes Jahr, weinend aus irgendwelchen Proben rausrennt und nichts mehr tut, außer diese Person so auseinanderzunehmen und daran zu forschen. Ich habe mich ganz viel auch mit ihr getroffen. Ich habe alle Bücher von ihr gelesen, ich habe mir Sätze einzeln ausgeschrieben. Es gibt ja wenige Bücher, wo emotionale Sachen zu lesen sind. Die sind eigentlich alle so, was sie wann gemacht hat. Ich habe sie beobachtet, vor allem zwischen den Sätzen, wenn sie nichts sagt, wie sie dann guckt, und daraus habe ich auch ganz viel gezogen. Der hat ja auch Gesten ja voll nachgeahmt, und das mache ich dann tatsächlich wie so ein Kind, was sich verkleidet und so einfach aus Spaß so jemanden nachspielt. Das habe ich schon ganz früh angefangen. Das vermischt sich mit so einer völligen Hingabe. Ich habe auch so gelebt, wie sie, wie sie früher gelebt hat. Ich bin in Museen, ins Theater ständig, und hab mir richtig wie so ein kleines Intellektuellen Leben aufgebaut für ein paar Monate.

Adelheid Kuhlmey: Aber Frau Schwarzer hat ja für uns Frauen auch viel gemacht. Was ist bei dir geblieben davon, oder was wirst du nie wieder loslassen, was du in der Zeit gelernt hast?

Nina Gummich: Also, das sind auch viele Dinge, das aktuellste, was mich gerade beschäftigt. Ich habe zum ersten Mal eine Beziehung zu einem Mann, die total gleichberechtigt und auf Augenhöhe ist und ich wirklich, also ich mich nicht mehr klein mache, damit ein Mann neben mir groß sein kann, sondern ich habe gelernt, d dass ich einen Mann brauche, der Freude an meiner Stärke hat und nicht Angst davor.

Adelheid Kuhlmey: Ja, das hat sie uns allen gut gezeigt, oder?

Nina Gummich: Toll! Ich fand das ein ganz tolles Gespräch.

Adelheid Kuhlmey: Ich auch.

Nina Gummich: Vielen Dank.

Adelheid Kuhlmey: Danke, liebe Nina

Speaker 3: Das war es mit dieser Folge von: Jeder zählt, der Karrierepodcast der Charite. Wenn ihr euch für die Arbeit in der Charite interessiert, dann schaut auf Karriere.Charite.de oder klickt auf den Link in den Shownotes. Auf unserer Karriere Website findet ihr spannende Informationen zu weiteren Berufsgruppen und unsere aktuellen Stellenangebote. Folgt diesem Podcast, lasst ein Like oder Kommentare da, wenn eure Podcast Plattform des Vertrauens das zulässt. Vielen Dank fürs Einschalten und bis zum nächsten Mal. Jeder erzählt, der Karriere Podcast der Charite ist eine Produktion Makiko. Musik: Martin Gerts, Produktion und Schnitt: Julius Bertram, Redaktion und Umsetzung: Clemens Herold, Moderation: Nina Gummich.

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